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Selbsterkenntnis oder The show must go on?

Selbsterkenntnis oder The show must go on?
von Holger Lüttich

Quelle: http://ww1.meome.de/app/fn/artcont_portal_news_article.jsp/79411.html

 

Der neue Psycho-Boom: Wer noch keine Familienaufstellung oder The Work-Seminar besucht hat, ist schon fast ein Outsider. Ähnliche Tendenzen gibt es auch in Tantra-Kreisen.

 

Familienstellen, NLP und "The Work" nach Byron Katie sind momentan der Renner in der Selbsterfahrungsszene. Freud ist Out - Hellinger und Höller sind In. Versprochen werden Kurzzeiterfolge und Lösungen ohne lange emotionale Anstrengung. Die Couch oder die Matte haben ausgedient und den Therapeuten als jahrelangen Ersatz-Übervater soll es nicht mehr geben. Schöne Aussichten?

Die Öffentlichkeit scheint anzubeißen. Und Hellinger, Höller, Katie sind in aller Munde. Sie füllen Kongresshallen und die Psycho-Kolumnen in den Medien.

Was wir erleben, ist das Umkippen der langwierigen Freudschen Sofa-Therapie in das andere Extrem: jetzt muss auf einmal alles besonders schnell und schmerzlos sein. Instant eben. Therapeutische Schnellküche statt stundenlanges Weichkochen. Das ist wie die Alternative zwischen rohen und verkochten Spaghetti. Auf dem Zug der neuen Fast-Food-Therapien wollen manche Tantra-Lehrer nur zu gerne mitfahren. Man will ja schließlich auch von dem lukrativen Trend profitieren und integriert reichlich Brocken von Hellinger & Co ins eigene Repertoire. Aber es gibt auch Kritik aus dem eigenen Lager.

Helfen die simplen Strickmuster der genannten Methoden den Hilfesuchenden nachhaltig weiter oder helfen sie eher arbeitsmüden, gewieften Therapeuten, ihre Kasse schnell zu füllen?

Ich bekomme immer wieder Klienten, die die viel versprechenden D-Zug-Angebote der therapeutischen Trendsetter kennengelernt haben. Das Resümee fällt oft mager aus: kleine, aber feine Details fallen leicht unter den Tisch. Etwa eine Vergewaltigung, jahrelange Quälerei, emotionaler Missbrauch oder ein Mord. Das hat Methode. Denn negative Erlebnisse sollen gar nicht durchgearbeitet, sondern schnellstens abgehakt werden. Abgehakt?

Ich habe noch niemanden kennen gelernt, der ein schweres Trauma einfach mit einem Fingerschnippen durch "Positives Denken" auflösen konnte - oder in dem er den Hellinger Satz sagt: "Papa, was früher auch immer gewesen ist. Es ist dein Schicksal und das lasse ich jetzt bei dir!" Das kathartische Erleben schmerzhafter Gefühle, das Erinnern der Urszene, auch das Ausdrücken von Trauer, Wut und Aggression und ein gründlicher Prozess des Loslassens davon sind nach meiner Erfahrung unvermeidlich, um den Weg in eine lebenswerte und lustvolle Zukunft zu bahnen. Auch die Arbeit am eigenen Potenzial. Damit sich Stärke und Unabhängigkeit herausbilden können.
Wer sich seiner selbst und seiner Qualitäten bewusst wird, entwickelt auch die Fähigkeit, sich durchzusetzen und gut für sich zu sorgen. Und daran hapert es doch meistens: ob in Berufleben, Sexualität oder Beziehungen. Und daran scheitert auch Vieles. Statt auf Stärke setzen viele Hellinger-Sannyasins aber auf Schwächung. Sie machen die Überheblichkeit der Kinder gegenüber den Eltern für allerlei Lebensprobleme verantwortlich und halten das symbolische Niederknien und die Bekenntnisformel: "Ihr seid meine Eltern, ich bin euer Kind. Und ich gebe euch jetzt die Ehre!" für der Weisheit letzter Schluss.

Abgesehen von derart konservativ-schwülstiger Ausdrucksweise ist dieses Rezept sexuell und emotional tief verletzten Menschen wenig dienlich. Vor allem zu Beginn der therapeutischen Aufarbeitung, wo die Menschen schon genug geschwächt und verunsichert sind. Es geht nicht um Verdammung der Eltern und das Rumreiten auf dem Opfertrip. Es geht darum, einen Bogen zu spannen, wo aus einem zermürbten Selbstwert wieder eine gesunde Kraft, Mut und Verständnis entstehen können. Wenn die Wunde ein Stück weit heilt, kann vielleicht ein Verzeihen einsetzen. Ein zu frühes Verzeihen bewirkt aber oft, dass unverarbeitete Rest-Emotionen übersehen werden, um später erneut hochzukochen und zu weiteren Stolpersteinen zu werden. Genau damit schlagen sich viele Hellinger - und "The-Work"-Erprobte heute herum. Verdrängen, Zudecken und falscher Trost führen eben nicht zur nachhaltigen Befreiung.

Natürlich: gründliches schrittweise Durcharbeiten ist ein Prozess und hält schon ein wenig auf. Und aufgehalten werden wollen die "neuen Stars am Therapeutenhimmel" schließlich nicht: "The show must go on!"

In der sensiblen tantrischen Einzelarbeit geht es vor allem um die Herstellung der Orgasmusfähigkeit. Ganz im Sinne Wilhelm Reichs, der sagte: "Am Boden jeder Neurose liegt der Sexualstau." Das mag zu pauschal sein. Sicherlich ist aber eine gesunde Sexualität für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung wichtig. Wer seine erotische Flamme brennen lässt und genießt, hat viel mehr Power für alle Lebensbereiche zur Verfügung.

Das schließt auch die Auseinandersetzung mit den eigenen dunklen Seiten, mit allerlei Ängsten und "Hässlichem" und das Sich-Selber-Annehmen mit ein. Alles ist Lebensenergie. Hass ist enttäuschte, verletzte und missbrauchte Liebe. Trauer und Wut ebenso. Sie lassen sich in Liebe zurückverwandeln, wenn wir sie genauso wie unsere sogenannten positiven Seiten annehmen und bewusst leben.

Die Arbeit am Schmerz ist manchmal anstrengend und tut auch oft weh. Aber ich sehe keine Umleitung in die Freiheit. Nur den direkten Weg - und der lohnt sich!

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